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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.
Der Kurfürstendamm im Januar
Ein verwaister Boulevard. Die meisten Geschäfte geschlossen, keine Bewirtung in den Restaurants und Cafes. Eine Stadt im Lockdown. In einigen Schaufenstern noch Reste der Weihnachtsdekoration. Freie Fahrt auf dem Bürgersteig für radelnde Kinder im Monsterkostüm. An vielen Stellen Botschaften für potentielle Kunden. Abstand halten, Masken tragen. Hinweise zum online Shopping. Einige Geschäfte haben schon aufgegeben, andere stehen offenbar vor der Schließung. Warten auf bessere Zeiten.
Farbfotografie mit Tiefenwirkung
Die Retrospektive Joel Meyerowitz. Why Color? hat vor drei Jahren im C/O Berlin die Ausnahmestellung des inzwischen über achtzigjährigen New Yorker Fotografen eindrucksvoll unterstrichen. Entgegen dem Trend der künstlerischen Fotografie in den 60er Jahren arbeitete er damals überwiegend mit dem Farbfilm, um so der schwarzweißgrauen Tonwertreduktion eine leuchtende Welt gegenüberzustellen. Der Alltag der Straße biete, so seine Begründung, jede Menge überraschender Momente, die durch ihre farbliche Wiedergabe eine besondere Lebendigkeit erhalten.
Interview: Ein neuer Blick auf die Fotografie?
Die Fotografie als Kunstform boomt. Das Interesse am Medium scheint größer als jemals zuvor. Dies schließt die kritische Reflexion ihrer Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen mit ein. Der Podcast Fotografie Neu Denken nimmt verschiedene Aspekte dieses Diskurses auf. In einem Gespräch mit fotosinn beschreibt der Fotograf und Herausgeber des Podcasts, Andy Scholz, seine Intentionen.
Vergängliche Zeichen
Viele der alten Markierungen des Flughafens Tempelhof sind auch Jahre nach seiner Schließung noch immer gut erkennbar. Das Rollfeld sowie die Start- und Landebahnen sind voller Zeichen, die von den Piloten beim Anflug und auf der Rollbahn wegweisend gesehen werden konnten. Inzwischen reißt an vielen Stellen der Asphalt auf und die Natur kehrt zurück. Vergangenheit und Zukunft treffen aufeinander. Die Erinnerung an frühere Zeiten ist Bestandteil der Gegenwart. Die alten Zeichen werden jedoch mehr und mehr verschwinden.
Architektur als Instrument der Macht
Das mehr als einen Kilometer lange, bogenförmige Hauptgebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof strahlt beim Blick vom südöstlich gelegenen Rollfeld auf die offenen Hangars pure Funktionalität aus und darüber hinaus trotz seines gewaltigen Ausmaßes eine nahezu elegante, zivile Harmlosigkeit. Aus der Entfernung wirkt das Ganze kraftvoll, aber keineswegs aggressiv. Machtarchitektur? Nicht einmal ein Gefühl von Gigantomanie will sich da einstellen. Dies ändert sich grundlegend beim Ortswechsel.
Die letzten Tage von TXL
Tegel in der Woche vor Einstellung des Betriebs. Westwind. Die Flughafenfeuerwehr ist mit Abschiedsvorbereitungen beschäftigt. Zwei Maschinen der Lufthansa verlassen ihren bisherigen Heimathafen, künftig wird nur noch BER angeflogen. Die letzten Maschinen starten nach Amsterdam, Lissabon, Helsinki oder Paris. An den Countern herrscht Langeweile. Die meisten Geschäfte und Restaurants sind geschlossen. Leere in der Haupthalle.
Karl Lagerfeld in Halle
Nach coronabedingter Unterbrechung von mehr als zwei Monaten ist im Kunstmuseum Moritzburg die Retrospektive Karl Lagerfeld. Fotografie wieder zu sehen. Rund vierhundert Aufnahmen des im vergangenen Jahr verstorbenen Modeschöpfers, barocken Paradiesvogels und nach Auffassung einiger Kritiker künstlerischen Universalgenies werden in der eigens für Halle konzipierten und produzierten Schau gezeigt. Geplant war das Ganze noch unter Lagerfelds Mitwirkung.
Und die Schlossherren schweigen
In Europa halten die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd an. Viele Menschen gehen auf die Straße, historische Statuen von Unterstützern des Sklavenhandels werden auch hier in Frage gestellt oder gestürzt, die Feuilletons der Zeitungen befassen sich mit dem offenen und latenten Rassismus. Nur die Vertreter des Humboldt Forums, das sich die Bearbeitung des deutschen Kolonialismus und seiner Folgen auf die Fahnen geschrieben hat, schweigen. Man ist dort offenbar an mentale Grenzen geraten und in erster Linie mit der Schlossbaustelle sowie mit dem goldenen Kreuz auf dem Dach der Attrappe beschäftigt.
Chamissos Schatten und die Ketten der Sklaverei
Am 21. August 1838 starb in Berlin der Dichter und Gelehrte Adelbert von Chamisso. Er hinterließ ein Werk, das den Bogen spannt von romantischen Naturschilderungen über ethnologische Studien bis hin zu sozialkritischen Beiträgen zu Erscheinungen seiner Zeit. Heute, mitunter ein wenig unterschätzt, darf man ihn zu den Zeugen einer aufklärenden Literatur zählen, dem Kunst und Zeitdiagnose nicht als widerstrebende Diskursformen galten, sondern als geschwisterliche Erscheinungen eines epochalen Emanzipationsprojektes.