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Hinweise auf Ausstellungen; Rezensionen von Büchern; Interviews mit Fotografierenden, Kunstschaffenden und Medienaktiven; Anmerkungen zur Geschichte und Theorie der Fotografie; Kommentare zur Kultur; Berichte zum Zeitgeschehen und von Reisen.
Liebe in misstrauischen Zeiten
Im Wesentlichen ist der Unterschied zwischen einem Foto und dem gerade ankommenden Licht eines seit Jahrmillionen toten Sterns nicht allzu groß. Beides zeigt Dinge, die längst vergangen sind. Zu dieser Erkenntnis gelangt der Fotograf András Szabad in dem grandiosen Roman Das Ende von Attila Bartis. Die Handlung spielt in Ungarn und umfasst Biografisches aus dem Leben von András bis in die Zeit nach der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1989. Tagebuchartige Reflexionen verbinden sich mit subtilen Wahrnehmungen des politischen Geschehens. Zentrale Themen sind der niedergeschlagene Volksaufstand 1956 und die Nachwirkungen im Privaten. Misstrauen ist allgegenwärtig. Betrachtungen zur Fotografie durchziehen den Roman und spiegeln Gesellschaftliches im Individuellen.
Kunst und Künstliche Intelligenz
Wie lässt sich in Zeiten KI-generierter Bilder Nichtkunst von Kunst unterscheiden? Sind Maschinen in der Lage, von Menschen gemachte Werke so zu imitieren, dass phänomenologisch kein Unterschied erkennbar ist? Und wäre dies ein Drama? Solche Überlegungen führen zu der Frage, was Kunst überhaupt ist. Im postmodernen Zeitalter des Anything goes scheint es darauf keine überzeugende Antwort zu geben. Alles ist möglich und das Label Kunst wirkt nicht selten wie eine naive Schimäre mit Definitionsmustern vergangener Zeiten. Da sich der Begriff Kunst jedoch beharrlich hält und jede Beliebigkeit auch eine Sinnlosigkeit beinhaltet, die wir nicht mögen, suchen wir weiter nach plausiblen Definitionen.
Der Fotoapparat als Krempel
Die Hersteller von Kameras sind nicht zu beneiden. Gab es einst einen riesigen Amateurmarkt, der zuverlässig mit allerlei Apparaten versorgt sein wollte, sind die taschengeeigneten Kleinkameras nahezu vollständig verschwunden. Und warum gar ein schweres schwarzes Ding mitschleppen, wenn sich für den Erinnerungsbedarf ein ähnliches Ergebnis mit dem Smartphone erzielen lässt. Auch große Kameras sind eine Nebensache geworden. Wenn mit ihnen überhaupt noch ein nennenswerter Umsatz erzielt werden soll, müssen neben den Profis, die auf taugliches Gerät angewiesen sind, die ambitionierten Freizeitfotografen angesprochen werden. Da Skalierungseffekte durch die Produktion großer Mengen weggefallen sind, werden die Kameras aber immer teurer.
Die Debatte um Karl Hofer
Jedes Bild lässt sich verorten irgendwo zwischen den Polen realitätsbeanspruchender und frei erfundener Botschaften. Fotografisches tendiert, technisch bedingt, meist zum Gegenständlichen, in der Malerei hingegen ist von vorneherein alles möglich. Aber schon innerhalb der bildenden Kunst gab es bezüglich der Aufgaben der Malerei leidenschaftlich geführte Auseinandersetzungen zwischen den Abstrakten und den Realisten. Die Diskussionen begannen im ausgehenden 19. Jahrhundert mit dem Impressionismus und setzten sich mit Expressionismus, Konstruktivismus, Surrealismus sowie allerlei anderen Ismen fort. Manche Bewahrer des Naturalistischen mochten dies alles nicht sehen.
In der Ferne
Reisen ist eine ambivalente Angelegenheit. Das Erleben neuer Kulturen, aber auch das Entdecken des Fremden in sich selbst weist als Bestandteil des bildungsbürgerlichen Auftrags nach der Sinnsuche Licht- und Schattenseiten auf. Die Konfrontation mit dem Unbekannten erweitert den Horizont und relativiert eingeprägte, kulturell gebundene Sichtweisen. Man lernt Menschen kennen, schreibt ein Reisetagebuch und geht auf fotografische Entdeckungstour. Wir erwandern eine neue Stadt oder Landschaft, bis nach und nach eine innere Orientierungskarte entsteht. Hin und wieder muss man damit rechnen, einen Plan über Bord zu werfen, weil etwas dazwischenkommt. Irgendwann sind wir dann ein wenig heimisch geworden und begreifen den Wachstumsprozess als Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen unserem Selbst und dem Fremden.
Die Antinomien des Fotografischen
Vom Maler, Fotografen, Literaten und collagierenden Dadaisten Raoul Hausmann (1886 – 1971) liegen eine Reihe fotografietheoretischer Texte aus den 1920er bis in die 1960er Jahre vor, die auch heute noch Beachtung verdienen. Meist geht es um das Changieren zwischen freier Kunst und Wirklichkeitsabbildung sowie, dazwischen, den Möglichkeiten und Grenzen der Fotografie. Trotz der Begeisterung für das in den Zwanziger Jahren im Massengebrauch noch relativ jungen Medium, welches Hausmann als eine Bereicherung künstlerischer Techniken wahrnahm, merkte er auch Skeptisches an. Letztlich führte dies zu einer Abgrenzung der Fotografie vom übrigen Bildgestalten.
Vernähtes, Umgarntes und Collagiertes
Der Körper ist politisch. So beginnt der Begleittext des Frankfurter Städel Museums zur Ausstellung Unzensiert. Annegret Soltau – Eine Retrospektive. Nun ja, gemeint ist wohl eher, dass die Wahrnehmungen und Konnotationen bezüglich des menschlichen Körpers zeitgebundenen kulturellen Wertungen folgen. Geschenkt. Die Sache selbst ist interessant. Annegret Soltaus Werke changieren zwischen den Bereichen Fotografie, Collage, Performance, Body Art und feministischer Kunst. Eindeutige Zuordnungen sind da nicht möglich und auch gar nicht nötig.
Nach der Postmoderne
Im neuzeitlichen Denken scheinen alle Definitionsversuche von Kunst vergeblich. Alles geht, alles ist möglich. Und das Gegenteil ebenso. Unter Kunst wird verstanden, was als solche gelabelt ist, vom Publikum und vor allem vom Kunstmarkt. Dessen Kriterium scheint eindeutig: Je teurer, umso Kunst! Es muss sich bei dieser Feststellung nicht einmal um Zynismus handeln. An anderen Kriterien herrscht schließlich Mangel. Soweit das postmoderne Weltbild. Aber ein schaler Geschmack verbleibt. Gerade weil es so aufgeklärt und desillusioniert klingt, will die durch Beliebigkeit und Kunstüberflutung entstandene Langeweile auf Dauer nicht erheitern. Dies klingt nach Treibstoff für gegenläufige Tendenzen.
Abstraktes und Figuratives
In der Malerei lässt sich seit einigen Jahren ein Trend beobachten, weg vom Experiment und zurück zum Figürlichen, Gegenständlichen. Wenn auch nicht unbedingt als einfache Abkehr von der Abstraktion, sondern eher im Sinne einer Koexistenz oder Vermischung beider Stile. Mag sein, dass dies eine Folge gewisser Ermüdungserscheinungen hinsichtlich theorielastiger Bildkonstrukte ist, die nur mit angestrengter Reflexion auf der Metaebene, wenn überhaupt, einen Sinn ergeben. Man möchte lieber mit einer kürzeren Verweildauer vor einem Werk stehen, als sich tiefgründige Gedanken machen, was das alles zu bedeuten hat. Dies würde im Übrigen zu der Vermutung passen, dass sich im heutigen Medienzeitalter die Aufmerksamkeitsspanne auch bei der Kunstrezeption reduziert hat. Die schnelle Botschaft ist gefragt.