Urbane Meditation

Die Stadt ist ein Organismus aus Beton, Asphalt und Bewegung, pulsierend im Takt von Ampeln, Verkehr und Eile. In ihren Strom zu treten, scheint wie das Gegenteil von Meditation. Gleichwohl kann Ungewöhnliches geschehen, wenn man durch abgelegene Nebenstraßen streift. Die Kamera verliert hier ihren Charakter als Werkzeug der schnellen Dokumentation und wird zum Instrument feinerer Wahrnehmung. Man geht langsamer und öffnet den Blick für Unscheinbares. Sensationelles gibt es hier nicht. Der Geist, sonst ein sprunghafter Affe und stets auf der Suche nach dem spektakulären Motiv, wird ruhig und nimmt Linien, Formen und einen besonderen Lichteinfall wahr. Wenn etwa die Sonne an einem trüben Tag kurz durch die Bäume bricht und ein verpacktes Auto anstrahlt, eingehüllt in eine graue Plane, festgezurrt mit einem orangefarbenen Gurt. Es steht da wie ein sich selbst überlassenes Objekt, umgeben von Pflanzen, die sich einen Weg durch die Fugen des Pflasters gebahnt haben. Die kleinen Bäumchen hinter dem Heck wachsen offenbar schon länger da.

Die Kamera wird zum Meditationsinstrument des Nebenstraßenflaneurs. Sie ersetzt die Reizüberflutung durch eine ruhige Betrachtung und lässt Stillstand zu. Da ist die Kante des Bordsteins, die Art, wie die Blätter sich sammeln, wie die Oberfläche der Plane Falten wirft. Der Blick durch den Sucher filtriert die Welt auf neue Weise. Fotografieren ist jetzt nicht nur das Festhalten dessen, was ist, sondern eine Art des Sehens. Eine Haltung, die auch scheinbar Banales wahrnimmt.

 

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Das fotografische Porträt